iPad als persönlicher Computer für „Silver Surfer“

Allem Medien-Hype und der Frage „Ist das iPad der ‚Stein der Weisen‘ unter den Tablet-Computern oder nicht“ zum Trotz stelle ich folgende These auf: Das iPad könnte sich für Gelegenheits-Internetbenutzer und die so genannten „Silver Surfer“ der Benutzergruppe 50+ zum echten PC – zum „persönlichen Computer“ entwickeln.

Personen wie meine 70-jährige Mutter, die in ihrem Leben noch kein computergestütztes Gerät bedient hat, das komplexer war als ein Satellitenreceiver, werden wir sicher niemals zur Computerbenutzung bekommen. Aber stellen wir uns die technikinteressierten, aber gleichzeitig technikverängstigten Frauen und Männer der Ü50-Fraktion vor: Einige von ihnen würden vielleicht sehr gerne am Internet teilnehmen. Primär geht es dabei sicher um E-Mail-Kontakt zu Kindern, Verwandten und Bekannten. Aber darüber hinaus eben eventuell auch um Online-Shopping, Nachblättern im Seitenangebot der Stadtverwaltung, und gegebenenfalls sogar ein bisschen Facebook, Twitter & Konsorten.

Was sollen wir computeraffinen „Jungschen“ (wenn ich mich als „FaVi“ mal frech ebenfalls hier einsortieren darf) solchen Leuten an die Hand geben? Idee: Einen normalen Computer von der Stange.
Dafür müsste als erstes der Schreibtisch (sofern die „Zielperson“ einen solchen hat) umgekrempelt werden: Da müssen Steckdosen her, und Platz für Monitor, Tastatur und Maus. Klar könnte das ein preiswerter Aldi-PC sein, aber dann fängt die ganze Geschichte mit Softwareverwaltung, Benutzerrechten, Mailclients, Add-ons, System-Updates, Virenscanner und hast-du-nicht-gesehen gerade erst an. Natürlich, alternativ könnte das auch ein Mac sein, der dem Vernehmen nach ja vor allem für Computer-Neulinge etwas intuitiver bedienbar sein soll. Aber ich als Grenzgänger zwischen den Mac- und Windows-Welten sage: Im Grunde genommen gibt sich das nichts. Mit dem Kauf ist es nicht getan: Für uns „helfende Hände“ ist das ein lebenslanger „Du, mein Computer zeigt auf einmal sowas komisches an“-Frondienst.
Darüber hinaus liegt die Herausforderung darin, dem zukünftigen Benutzer zuerst einmal die Maus-Feinmotorik beizubringen, und nicht zu vergessen die Grundlagen der elektronischen Datenverarbeitung: Wenn man einen Computer unvermittelt in einem Moment abschaltet, in dem der getippte Text noch nicht gespeichert ist, ist letzterer unwiederbringlich weg – und eventuell sogar das System beschädigt. Für uns ist das das Normalste der Welt – für jemanden, der einen halben Bogen Schreibmaschinenpapier vollgetippt hat, ein mitunter schwer zu vermittelndes Bedienparadigma.

Stellen wir uns aber einen potenziellen Ü50-Internetteilnehmer vor, dem wir ein iPad auf den Wohnzimmertisch legen. Das Gerät ist äußerlich wie innerlich schick, schnurlos, ultraportabel – und erfordert keinerlei Umräumaktion. Die Akkulaufzeit ist recht brauchbar, das Ladekabel oder -dock schnell an beliebiger Stelle installiert. Die vorinstallierten Anwendungen sind hinreichend leistungsfähig und für uns „Hilfs-Administratoren“ in Windeseile vorkonfiguriert – und funktionieren hinterher im wahrsten Sinne des Wortes auf Fingerzeig. „Papa, wenn Du hier drauf tippst, siehst Du sofort, ob Du eine neue E-Mail von mir bekommen hast. Und wenn Du dann hier drauf tippst, kannst Du direkt darauf antworten. Und wenn Du Tante Lieschen eine E-Mail schicken willst, dann tippst Du erst hier und tippst dann nur auf ‚L‘, dann übernimmt das Gerät die vollständige Adresse aus dem Adressbuch.“

Mit diesen drei Sätzen ist der Löwenanteil der E-Mail-Kommunikation eigentlich bereits erklärt. Auch das Surfen im Internet ist „dank“ nicht nachinstallierbarer Plugins und ActiveX-Komponenten zwar limitiert (Flash fehlt in der Tat ungemein) – aber ein sehr überschaubares, minimales Risiko. Wenn man Vati später also per E-Mail einen Internet-Link schickt, mit dem Hinweis, einfach mal draufzutippen – klar, dann öffnet sich Safari und präsentiert die geschickte Seite in ganzer Pracht. Safari zumachen, zurück zur E-Mail – und die ist immer noch genau da, wo man sie hinterlassen hat. Merke: Ordentlich programmierte Anwendungen bedürfen keines Multitaskings.

Lange Rede, kurzer Sinn: Für einen „Silver Surfer“ hat ein iPod touch genügend Funktionen, ist aber viel zu knibbelig klein. Ein ausgewachsenes iPad dagegen, das mit exakt denselben Funktionen aufwartet, stellt ein Gerät dar, das auch für absolute Neulinge, egal welchen Alters, einen intuitiv bedienbaren, haptisch erlebbaren und in weiten Strecken vollkommen frustfreien Einstieg ins Internet ermöglicht. Und den weitergehend Interessierten installiert man dann eben noch die entspechenden Apps für Facebook, Twitter & Co., konfiguriert diese mit entsprechenden Benutzerdaten vor – und schon treibt sich manch ein Senior „wie ein Junger“ im Internet und sogar im Web 2.0 herum.

Aus meiner Sicht wird das iPad daher der persönlichste Computer, den man sich aus heutiger Sicht nur vorstellen kann.

1 Kommentare.

  1. Ich stimme deiner Meinung absolut zu, trotzdem möchte ich noch meinen Lieblingssatz hervor heben: „Merke: Ordentlich programmierte Anwendungen bedürfen keines Multitaskings.“ – absolut!
    Viele Leute verwechseln Multitasking mit Multiwindowing – aber mehrere Fenster sind bei einem Gerät wie dem iP(a/o)d unbrauchbar, bzw. entspricht im Grunde gar nicht den Anwendungsfällen so eines Schätzeleins.