Lidl-Handy Huawei Ideos X3 U8510

Am 29.9. bietet Lebensmitteldiscounter Lidl erneut das erstmalig vor vier Wochen feilgebotene Huawei Ideos X3 Smartphone ohne SIM-Lock für unter 100€ an – diesmal nur im Versandhandel. Im ersten Anlauf waren die Geräte bereits Minuten nach Ladenöffnung vergriffen – dank zeitgemäßem Android 2.3-Mobilbetriebssystem und ansonsten scheinbar vollwertiger Hardwareausstattung. Grund genug, mein Schnäppchen von letztem Monat einmal etwas genauer auf Stärken und Schwächen abzuklopfen.

Zuerst zur Nomenklatur: Das Ideos X3 hört intern auf den Namen U8510 – nicht zu verwechseln mit dem kleineren Bruder Ideos (ohne „X3“), dessen Baureihe leicht verwechselbar mit U8150 bezeichnet wird. Da ich auch letztgenanntes Gerät besitze, liegt ein Vergleich der beiden ungleichen Geschwister auf der Hand.

Schon bei der ersten Inbetriebnahme fällt daher auf, was die anschließende Praxis schmerzhaft bestätigt: Mit der recht langen Akkulaufzeit des kleinen Bruders kann es das X3 nicht aufnehmen – verwendet es doch exakt denselben 1200 mAh-Akku, jedoch bei doppelter Displayauflösung und 15% schnellerer CPU. Die in der Lidl-Werbung genannten „bis zu 300 Stunden Standby“ entpuppen sich bei sporadischer Benutzung dann doch eher als „allerhöchstens 120 Stunden“. Siehe unten, Update #1. Im normalen Benutzungsszenario wird man das Handy sicher spätestens alle zwei Tage aufladen müssen. Angenommen, der Lithum-Ionen-Akku macht das für 300-500 Ladezyklen mit, kann man sich auf eine etwa zweijährige Lebensdauer einstellen. Man kann nur hoffen, dass sich beizeiten ein Alternativanbieter findet, der eine höhere Kapazität in ein gleich großes Akkugehäuse zwängt.

Hat man endlich fluchend den Trick gefunden, wie man den Gehäusedeckel zum Einsetzen der SIM und des Akkus aufgeschoben bekommt, wird man feststellen, dass Lidl bzw. Huawei nicht einmal eine Alibi-microSD-Karte mit in den Karton gepackt hat. Bis zu 32 GB µSDHC werden unterstützt, im Auslieferungszustand treten an dessen Stelle 64 MB des internen Speichers. Immerhin lässt sich die Karte bei geöffnetem Deckel auch ohne Ausbau des Akkus wechseln – trotz „Auswerfen“-Funktion des Betriebssystems beileibe keine Selbstverständlichkeit.

Das HVGA-Display des X3 (320×480 Pixel, identisch dem iPhone bis einschließlich 3GS) ist um Klassen besser und auch deutlich weniger blickwinkelabhängig als das QVGA-Display (240×360 Pixel) des kleinen Ideos. Auf wenn die Bildschirmtastatur chronisch zu klein ist, gibt es ansonsten nur wenige Apps, die nicht auf dem HVGA-Display arbeiten wollen. Eine unrühmliche Ausnahme ist hier Adobe Flash, das jedoch aufgrund der mit 600 MHz Taktfrequenz immer noch recht niedrigen CPU-Leistung nicht installierbar ist.

Auch wenn die CPU des X3 nominell nicht signifikant höher getaktet ist als beim kleinen Bruder, fühlt es sich in der alltäglichen Bedienung doch deutlich schneller an. Es ist anzunehmen, dass der Grund dafür ein flinkerer Grafikchip ist, der schon an den Homescreens des Huawei-Launchers mit 3D-Animationen für ein kleines Lächeln sorgt. Zur Einordnung ein sachlich unrichtiger Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen: Das Ideos X3 mit Android 2.3 bedient sich flüssiger als ein iPhone 3G mit iOS 4.

Das in drei Richtungen leicht abgerundete Display sorgt für eine wertige Optik, lässt sich in dieser Preisklasse allerdings nur in Kunststoff statt Glas realisieren — Obacht, so ein Display verkratzt naturgemäß recht leicht. Ebenfalls verschmiert das Display stärker als seine Glas-Artgenossen, und der Finger gleitet darauf etwas weniger leicht. Mich persönlich stört, dass Wischgesten, etwa beim Scrollen in Listen, oft fälschlicherweise als Tippgesten interpretiert werden. Man muss sich also einen etwas höheren Fingerdruck angewöhnen, als man es bei einem kapazitiven Multitouch-Display eigentlich erwarten würde.

Der Huawei-Launcher lässt sich auf Wunsch abschalten, das Telefon benimmt sich anschließend fast wie ein „vanilla“ Gingerbread ohne herstellerspezifische Anpassungen. Lediglich die Liste aller installierten Apps treibt mir regelmäßig die Zornesfalten auf die Stirn – verteilt sie die Apps doch iOS-plagiierend auf mehrere horizontale Bildschirmseiten, einschließlich beim Umsortieren zappelnder Icons mit „X“ zur App-Deinstallation, jedoch ohne Möglichkeit zur alphabetisch sortierten Ansicht. Huawei, was habt Ihr Euch dabei nur gedacht?

Originalfoto geschossen mit Rück-Kamera Huawei Ideos X3 (Anklicken zum Vergrößern)

Aufgrund der unsäglichen Schnappschuss-Qualität möchte man vermuten, dass im Ideos X3 U8510 dieselbe blitzlose 3 Megapixel-Fixfokus-Kamera (2048×1536 Pixel) verbaut ist wie im kleinen Ideos U8150. Beim X3 kommt als Gimmick noch eine VGA-Frontkamera (640×480 Pixel) hinzu, die allerdings absolut unterirdische Bildqualität liefert und daher streng genommen nicht einmal für Facebook-Selbstportraits taugt.

Originalfoto geschossen mit Front-Kamera Huawei Ideos X3 (Anklicken zum Vergrößern)

Die Lautstärke der Signal- und Klingeltöne ist selbst bei maximaler Lautstärkeneinstellung eher gering. Die Sprachqualität beim Telefonieren sowohl mit dem Gerät am Ohr als auch bei aktiviertem Freisprechen ist aber absolut akzeptabel. Der Kopfhörerausgang wirkt dabei aber selbst mit guten Kopfhörern eher matt, was sich auch durch entsprechende Equalizer-Presets nicht wirklich beheben lässt.

Ansonsten ist das X3 aus heutiger Kundensicht vollausgestattet: Ein Lagesensor zum Wechsel zwischen Portrait- und Querdarstellung ist ebenso vorhanden wie ein Annäherungssensor zur Displayabschaltung beim Telefonieren. Das Gerätchen bringt gleichermaßen Bluetooth (2.1), WLAN (11n) und GPS mit. Dabei ist die WLAN-Kontaktaufnahme ein wenig träge, die Signalstärke auch in unmittelbarer Nähe zum Access Point eher schwach. Auch die GPS-Erstortung gelingt besser, wenn man unter freiem Himmel ein Minütchen still stehen bleibt und abwartet. Die anschließende differenzielle Ortung, etwa bei der Fußmarsch-Navigation, funktioniert jedoch einwandfrei.

Drei fehlende Ausstattungsmerkmale sind weniger offensichtlich und fallen unterschiedlich stark auf.

  1.  Die beim X3 U8510 nicht vorhandenen großen Telefontasten (grün = Rufannahme, rot = Auflegen), die das kleine Ideos U8150 mitbringt, sind von untergeordneter Bedeutung – kaum ein Android-Telefon hat sie, ohne dass man sie je vermisst hätte.
  2.  Mehr Sorgen machte ich mir vor dem Kauf über die nicht vorhandene, bei früheren Android-Versionen bis enschließlich 2.2 kaum wegzudenkende Cursorsteuerung. Zum Vergleich: Das Google Nexus One besitzt unterhalb des Displays einen Mini-Trackball, das fast baugleiche HTC Desire ein Mini-Trackpad, das Ideos 8150 bringt ein Vier-Wege-Cursorkreuz mit Mitteltaste mit.
    Hier nun die Entwarnung: Aufgrund der in Android 2.3 deutlich verbesserten Cursorpositionierung und Textselektion kommt man am X3 sehr gut auch gut ohne derartige Hardwaretasten aus.
  3. Wirklich schmerzhaft vermisse ich jedoch die mehrfarbige Benachrichtigungs-LED. Beim Nexus One und beim kleinen Ideos stellt sie kritische Akkustände bzw. die Voll-Ladung unterschiedlich farbig dar; auch verpasste Anrufe und ungelesene Kurzmitteilungen meldet sie durch warnendes Blinken.
    Auf all das muss man am Ideos X3 leider verzichten. Man wird das Telefon also häufiger in die Hand nehmen müssen, um sich über dessen Wohlbefinden bzw. verpasste Ereignisse zu informieren.

Fazit: Realistisch betrachtet wird man für (knapp) unter 100 EUR sicher kein Highend-Mobiltelefon erwarten – und man bekommt auch keins. Im Vergleich zu anderen Billigheimern ist das Huawei Ideos X3 U8510 aber überaus brauchbar ausgestattet und dadurch absolut alltagstauglich – höchstens abgesehen von der inakzeptablen Fotoqualität und dem schlappen Akku.

Allerdings kann man für vergleichbar ausgestattete Einsteiger-Telefone anderenorts durchaus mehr Geld ausgeben und wird nicht notwendigerweise mehr dafür bekommen. Umgekehrt könnte man natürlich auch ein kleines Vermögen in ein Highend-Handy mit allem Schnick und Schnack investieren, das dann aber auch 3-4 Jahre lang „halten muss“ und folglich zum Ende seines Nutzungszeitraums sicher hoffnungslos veraltet ist.

Wer jedoch lieber alle 1-2 Jahre für schmales Geld ein Einsteigergerät kaufen will, das aufgrund seiner inneren Werte durchaus in der unteren Mittelklasse mitspielt, macht mit dem Ideos X3 sicher nichts grundliegend falsch.

UPDATE #1:

Die Standby-Zeit ist scheinbar eine Geschichte voller Missverständnisse. Es stellte sich heraus, dass die Überlebensdauer ohne Ladegerät massiv mit er verwendeten SD-Karte zusammen hängt. Meine aktuell verwendete 16GB Sandisk-Karte zwingt das Handy auch bei Nicht(!)benutzung nach 2 1/2 Tagen an die Herz-Lungenmaschine. – Bevor gut gemeinte Hinweise kommen: Nein, alle aktiv benutzten Apps liegen im internen Speicher, nur die selten genutzten Apps ohne Hintergrundaktivität liegen auf der SD-Karte.

Werfe ich die Karte aus (sie kann dabei aber abgemeldet im Gerät stecken verbleiben), sinkt der Akkuverbrauch des X3 pro Tag der Nichtbenutzung auf gerade mal 10-15% (wie ich es vom alten Ideos gewohnt war), was rechnerisch Minimum einer Woche Standby bzw. ca. 200 Stunden entspricht.

… Religion gut, Kopfrechnen schwach: 1200 mAh Akkukapazität reichen bei 5 mA Ruhe-Stromaufnahme für 1200/5 = 240 Stunden = 10 Tage Standby, bei 6 mA wären es immer noch gut 8 Tage. Die derzeitigen prekären 60 Stunden Standby deuten auf einen Rohstrom von 20 mA hin – also das Drei- bis Vierfache wie ohne Karte.

Unter Zuhilfenahme bruchstückhafter Hinweise von G. O. Ogle ergab sich: Mein ebenfalls stromhungriges Google Nexus One ließ sich durch simple Reformatierung der SD-Karte im Handy (!) auf Standby-Stromaufnahmen von 3-5 mA drücken. Beim X3 hat das leider noch nichts geholfen, ich werde nun mit anderen Kartentypen experimentieren.

Update #2:

Alle µSD-Karten in meinem Besitz, egal ob 16GB, 8GB, 4GB oder 2GB, egal ob Class 2 oder Class 4, führten dazu, dass das Handy sich temporeich leersaugte. Logisch ausgeworfen, aber physikalisch noch eingesteckt passierte das nicht – wiederum: egal mit welcher Karte.

Gemeinsam war allen Karten nur, dass ich die Datenverzeichnisse zurückspielte – das Handy hatte anschließend also alle seine auf der Karte installierten Apps wieder. Das nächste Experiment war daher: Was passiert, wenn ich eine leere Karte einstecke und sie nicht auswerfe? Ganz einfach: Das Handy ist genügsam. Es ist also kein Problem mit dem gemounteten Dateisystem, sondern eher damit, was auf der Karte gespeichert ist.

Anschließend habe ich die eine App deinstalliert, die zuvor auf dem alten Ideos U8150 nicht, aber auf dem neuen Ideos X3 U8510 installiert war: Skype. Und siehe da: Seitdem ist die Standby-Stromaufnahme wieder wie gewohnt minimal. … Was höchst erstaunlich ist, weil Skype in der Benutzungsstatistik überhaupt nicht vorkommt.

Ich berichte weiter.

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