Mitunter möchte man DVDs nicht in einem Rutsch beschreiben, sondern in mehreren Anläufen. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von Video-DVDs, die in DVD-Rekordern (auch „DVRs“ genannt, im Gegensatz zu „VCRs“) beschrieben werden – das ist eine völlig andere Baustelle, darum geht es hier ausdrücklich nicht.
Vielmehr geht es um die Methode, zum Beispiel mit Nero unter Windows beim Brennen von ISO-Daten-DVDs statt „Kein Multisession“ ersatzweise „Multisession beginnen“ und später „Multisession fortsetzen“ zu wählen. Generell: Wenn ich von DVDs spreche, dann meine ich solche mit ISO-Dateisystem, nicht solche mit UDF-Dateisystem.
Eine kleine Geschichtsstunde:
Brennen in mehreren Sessions gibt es natürlich auch für CDs. Ganz früher waren es vor allem Leute mit kleinen Festplatten <700 MB (ja, die Zeiten gab es, das ist auch noch gar nicht so lange her!), die CDs nicht in einem Rutsch, sondern in mehreren Sessions beschreiben mussten.
Darüber hinaus fand auf die Musik-Industrie Gefallen an Multisession-Medien. Denn: Vormals mussten „Mehrwert-CDs“, also Musik plus z.B. Musikvideo zum Abspielen am Computer, auf abstruse Weise gemastert werden: Der erste Track der ersten bzw. einzigen Session, normalerweise Track 1 beim Abspielen der Audio-CD, enthielt Daten statt Musik. Der CD-Audio-Standard gab das her – aber nicht jeder Audio-Player war so schlau. In dem Fall spielte dieser mitunter die Datenbits als kreischende Tonspur ab, was Hochtöner und Trommelfelle auf eine harte Probe stellte.
Als nun aber die Mehrzahl der CD-Laufwerke in Computern multisession-fähig war, während herkömmliche Audio-Player standardkonform weiter an einer einzigen Session festhielten und folglich jede weitere Session ignorierten, wurde zusätzlich zum althergebrachten Mixed-Mode die „EnhancedCD“ aus der Taufe gehoben. Das Prinzip ist dabei ganz einfach: Session 1 enthält ganz regulär die Audiotracks, Session 2 den Datentrack.
Handelsübliche Audio-Player ignorieren bei EnhancedCDs Session 2, spielen also die Tracks der Session 1 als Audio ab; dieselbe CD in einen Computer eingelegt (wohlgemerkt: Mac oder Windows) präsentiert am Desktop lediglich die zweite Datensession. … Was, je nach Fall, mal einen Mehrwert, mal aber auch eher nicht darstellte (vgl. Sony-Rootkit).
Folglich können Macs und PCs auch mit Multisession-Daten-CDs gut umgehen: Beim Einlegen der CD werden die einzelnen, aufeinander aufbauenden Sessions eingelesen, und der Finder/Explorer präsentiert das Gesamtbild. … Das gilt übrigens für einmal beschreibbare CDRs und mehrfach beschreibbare CD-RWs gleichermaßen.
Nun zu DVDs:
Hier ist die Lage leider etwas anders. Auch hier gibt es multisession-fähige und nicht-multisession-fähige DVD-Laufwerke. (Wohlgemerkt: DVD-Multisession – CD-Multisession ist davon völlig unabhängig.)
Fangen wir so an: Wiederbeschreibbare DVD-Medien, also DVD+RW oder DVD-RW, machen generell überhaupt keine Probleme: Auch Standalone-Player, z.B. DivX-fähige DVD-Player, können die Daten der hinteren Sessions üblicherweise problemlos erreichen. Meines Wissens liegt dies daran, dass die ursprüngliche, erste Session derart modifiziert wird, dass Mac, PC und Standalone-Player diese Daten in einem Rutsch erreichen können.
Leider nicht so jedoch bei einmal beschreibbaren DVD+R und DVD-R. Laut meinen Exprimenten gilt:
- Alle mir bekannten(*) Fast alle mir bekannten Standalone-Player können nur die erste Session abspielen.
- Windows XP und Windows 2000, beide vollgeupdated mit allen Service-Packs etc., sind in der Lage, eine Multi-Session-DVD korrekt anzuzeigen – ein multisession-fähiges DVD-Laufwerk vorausgesetzt.
- Mac OS X gibt bis einschließlich Leopard 10.5.7 nur die erste Session preis – selbst mit haargenau demselben, nachweislich multisession-fähigen externen DVD-Laufwerk, das per USB angeschlossen wenige Minuten zuvor unter Windows die zweite Session noch anstandslos lesen konnte.
Wer also (wie ich) unter Windows mit Nero Multisession-DVDs gebrannt hat und diese nach der Konversion auf Mac OS X zu lesen versucht, steht ziemlich dumm da: Es gibt meines Wissens unter Mac OS X keine Möglichkeit, derartige DVDs vollständig zu lesen.
… Oder doch, es gibt genau eine Methode: VMware Fusion oder eine vergleichbare Virtualisierungs-Lösung für Mac OS X mit Intel-CPU, bzw. alternativ natürlich auch Bootcamp. Wer seine Multisession-DVD unter einem in einer VM bzw. via Bootcamp installierten und vollgeupdateten Windows XP oder Windows 2000 einzulesen versucht, wird alle Sessions angezeigt bekommen.
Am saubersten klappt das natürlich mit einem per USB angeschlossenen und direkt mit der VM verbundenen USB-DVD-Laufwerk – aber selbst das interne Slot-In-Superdrive meines iMac, namentlich ein Pioneer DVR-K06A, das sich weniger Sekunden zuvor unter Mac OS X noch standhaft geweigert hatte, mir mehr als nur die erste Session anzuzeigen, ist nach exklusivem Anschluss an die Windows-VM plötzlich lammfromm und präsentiert mir den DVD-Inhalt komplett.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wer kein Windows in einer VM oder via Bootcamp greifbar hat, sollte beim Datentransfer vom PC zum Mac auf Multisession-DVDs verzichten – oder alternativ DVD+/-RW-Medien verwenden, damit gibt es generell keine derartigen Probleme.
(*) Update:
Schon wieder gelogen – oh Wunder, ich besitze tatsächlich einen Standalone-DVD-Player, der mit Nero gebrannte Multisession-DVD-Rs korrekt anzeigt – nämlich mein treuer, kleiner Cyberhome CH-DVD 4010 mit Firmware CH4010V21B02. … Auch wenn er beim Einlesen eine Mediums mit zwei Session schon sehr unzufrieden klingt.
Danke für diese Auskunft. Als ich nämlich heute eine mit Nero hergestellte Mehrsitzungen-DVD auf meinem neuen I-Mac auslesen wollte, war bis auf die erste Session alles weg. Ich konnte es kaum glauben, da doch Apple überall als so toll dargestellt wird. Mich bestätigt dies nur in meinem Vorbehalt, den ich seit 20 Jahren gegen Macs habe. Wer mit einem guten Windows-PC arbeitet, stellt immer wieder fest, wie primitiv Macs doch in Wirklichkeit sind. Ich kann es beurteilen, weil ich beruflich seit 20 Jahren mit den Apfelkisten arbeiten darf.
Ich weiß gar nicht – wie verhalten sich die handelsüblichen Linuxe? Wenn die die hinteren Sessions einer Multisession-WriteOnce-DVD ebenfalls ignorieren, würde ich mal vermuten, dass die Dinger schlichtweg nicht 100%ig standardkonform sind. … Aber wie gesagt: Die XP-VM als „DVD-Server“ ist jederzeit schnell bei der Hand.