Miss – kiss, kiss, bang, bye, never call again!

Ich hab’s doch geschaut – der DVD-Player bliebt kalt, ich habe doch den Grand Prix de la Chanson geschaut. Asche auf mein Haupt.

Nun gut: Ich relativiere mein gestriges „epic fail“ zu „fail“, denn Deutschland hat beim Eurovision Song Contest 2009 ja nicht 0 Punkte geholt. … Obwohl – streckenweise sah es ja durchaus so aus, als würden wir den letzten Platz belegen. Kommt, lasst es uns hinter uns bringen: Ich habe es doch schon vorher gewusst.

Und da sagt dieser Alex Christensen marginal betrübt, aber ansonsten jovial wohlgelaunt in die Mikrofone der Presse, dass er einfach noch nicht herausgefunden hat, was es braucht, um 12 Punkte zu holen. Nun – versuchen wir es doch einfach einmal nach dem Ausschluss-Verfahren: Das war es offensichtlich nicht.

Meine Gedanken dazu: Von Jahr zu Jahr entwickelt sich der Eurovision Song Contest weiter weg von einem „Song Contest“, d.h. dem Absingen der Teilnehmersongs der (gefühlt) 73 Teilnehmerstaaten und der Ermittlung des schönsten Liedes hin zu einer opernartigen Performance in ebensovielen Akten.

Nicht, dass man mich hier missversteht: Ich habe ganz und gar nichts gegen die europaweite Präsentation der ethnischen Vielfalt der „klassischen“ EU-Teilnehmerländer sowie aller ex-jugoslawischen und ex-sowjet Splitterstaaten. Was mir aber extrem abgeht, ist der Pathos, die Verbissenheit, mit der die Performance das eigentliche Liedgut immer mehr in den Hintergrund schiebt – nebenbei: mit oder ohne ethnischen Zusammenhang zum Teilnehmerland.

Bestes, zeitgemäß schmerzvolles Beispiel: „Miss Kiss Kiss Bang“. Da wird ein (ohne boshaft wirken zu wollen) mittelmäßiger Popsong mit ein paar dekorativen Hintergrund-Tänzerinnen dargeboten. Auf einem schwarzen Ledersofa in Form eines Kussmundes räkelt sich darüber hinaus genannte Dita von Teese; letztere trägt ein enges Korsett, ist ansonsten aber insgesamt höchstens 30 Sekunden lang im Bild – warum auch, letztlich ist die Fernsehlandschaft Provokativeres gewohnt … Und: Wer aus dem Schlagerzirkus erinnert sich eigentlich noch an die Ex-Frau von Skandal-Rocker Marilyn Manson? Schon diese Performance, die wiederum von o.a. Alex Christensen angekündigt war mit den Worten „fallen die Hüllen, füllt das die Hallen“ verdient ausdrücklich keine andere Bezeichnung außer „epic fail“.

Und so präsentiert Land für Land, gestützt durch die multi-millionen-dollar-schwere Video-Installation der moskauer Grand Prix-Bühne, eine Celine Dion’sche Gesangs-Inszenierung mit filmreifer Video- und Pyrotechnik nach der anderen, auf dass dem Zuschauer die Augen und mitunter auch die Ohren bluten – das Tüpfelchen auf dem I war die britische Musical-Nummer mit Sir (!) Andrew Lloyd Webber am Piano.

Es gab nur wenige, tröstliche Ausnahmen: Dänemark beispielsweise schickte eine ehrliche Rockband mit klassischer Besetzung (Schlagzeug, Gitarre, Bass, Gesang) in die Gesangs-Schlacht – Vollblut-Musiker, denen man ansah, dass es ihnen Spaß macht, handgemacht-bodenständige Musik zu machen. Gut, das brachte dem kleinen skandinavischen Land auch keinen Spitzenrang, aber immerhin lagen sie noch weit vor Deutschland. Und dann war da noch Island – mit einem ähnlich glaubwürdigen Musik-Act, allerdings mit blonder isländischer Frau statt kleinem dänischen Jungen vorn am Mikrofon. Immerhin: Mit so etwas kann man, allen Balkan- und Benelux-Nachbarland-Votings zum Trotz, tatsächlich beim Eurovision Song Contest den zweiten Platz erzielen.

Ach ja, gewonnen hat übrigens Norwegen, mit fast doppelt so vielen Punkten wie Island. Nicht der Rede wert: Netter Act, zuckersüßer Leadsänger Marke „Most Wanted Schwiegersohn“, der neben norwegisch auch russisch und deutsch spricht … So what – irgendwer musste ja gewinnen. Glückwunsch …

Fazit: Ich nehme mir für 2010 fest vor, mir den Mist nicht mehr anzuschauen. Aber ich halte jede Wette gegen mich selbst, dass ich es doch tun werde. Und sei es nur, um hinterher wieder ordentlich meckern zu können.

Postscriptum:

Was ist eigentlich mit Georg Uecker? Nicht, dass ich mir nicht seit Jahr und Tag Sorgen um ihn mache, weil er,  fast bis auf die Knochen abgemagert und dreitagebärtig, beinahe so aussieht wie Freddie Mercury kurz vor der Bekanntgabe seiner HIV-Infektion. Aber wen die Ueckerine eine Grand Prix-Großveranstaltung auslässt, stimmt irgendetwas wirklich ganz und gar nicht.

Keine Kommentare möglich.